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Struktur und Spektren von Molekülclustern

Schmidt, B. (1992) Struktur und Spektren von Molekülclustern. PhD thesis, Universität Göttingen.

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Abstract

In der vorliegenden Arbeit wird ein störungstheoretisches Verfahren vorgestellt, mit dem die Verschiebung molekularer Schwingungsenergieniveaus unter dem Einfluß der intermolekularen Wechselwirkung im Cluster quantenmechanisch berechnet werden kann. Es basiert auf der in zwei Arbeiten von A. D. Buckingham veröffentlichten Methode zur Berechnung des Einflusses der Solvatisierung auf die Schwingungsspektren von Chromophoren. Die dort mit nichtentarteter Störungsrechnung zweiter Ordnung entwickelten Formeln werden hier auf den entarteten Fall übertragen. Somit kann auch die Wechselwirkung gleicher Moleküle in homogenen Clustern behandelt werden. Bei näherer Untersuchung der in dieser Arbeit hergeleiteten Formeln für die Linienverschiebung zeigt sich, daß im wesentlichen zwei unterschiedliche Mechanismen die Schwingungsspektren beherrschen: Mit entarteter Störungsrechnung erster Ordnung läßt sich zeigen, daß die Schwingungsanregung i. a. nicht in einzelnen Molekülen zu lokalisieren ist, sondern daß es durch die Wechselwirkung der Moleküle untereinander zu einer Kopplung identischer Schwingungsmoden kommt. Dies führt zu einer Aufspaltung der Spektrallinien, die der Anregung der zugehörigen Schwingungen entsprechen. Jedoch kann sich im Fall symmetrischer Cluster durch unvollständige Aufhebung der Entartung der angeregten Zustände sowie durch Übergangsverbote die Anzahl der Spektrallinien verringern. In zweiter Ordnung ergeben sich weitere nicht unerhebliche Korrekturen in der Lage der Energieniveaus durch das Zusammenspiel der intermolekularen Wechselwirkung und der kubischen Kopplung der Moden innerhalb eines Moleküls. Die Auswirkung dieses Effekts wird wesentlich durch Größe und Vorzeichen der entsprechenden kubischen Kraftkonstanten bestimmt, deren Wert somit für die Spektren von enormem Einfluß sein kann. Um auch den Effekt der thermischen Mittelung bei endlichen Temperaturen auf diese Spektren numerisch behandeln zu können, wird die Berechnung der Spektrallinienverschiebung mit Monte-Carlo-Simulationen verknüpft. Die Kombination dieser beiden Verfahren stellt eine Symbiose einer quantenmechanischen und einer klassischen Vorgehensweise dar: Die intramolekularen Freiheitsgrade der Schwingung werden mit der oben erläuterten quantenmechanischen Störungsrechnung behandelt, während die intermolekularen Freiheitsgrade aufgrund der - im Fall nicht zu kleiner Temperaturen und nicht zu kleiner Teilchenmassen - erheblich höheren Zustandsdichte mit der Ensembletheorie der klassischen Statistik behandelt werden können. Wird die Anisotropie der Wechselwirkungsenergie eines Paares von Molekülen mittels Potentialzentren modelliert, die neben einer Potentialfunktion für Repulsion und van-der-Waals-Attraktion auch durch eine Partialladung und einen Polarisierbarkeitstensor charakterisiert sind, umfassen die in dieser Arbeit hergeleiteten Formeln alle einzelnen Mechanismen, die in der Literatur schon zur theoretischen Beschreibung der Schwingungsspektren molekularer Cluster vorgeschlagen wurden. Somit liegt eine sehr universelle Methode vor, die zur Analyse von Schwingungsspektren verschiedener van-der-Waals- oder wasserstoffbrücken- gebundener Cluster Anwendung finden kann. Das hier entwickelte Verfahren wird zur Simulation von Spektren kleiner Methanolcluster (Dimer bis Hexamer) angewendet. Dabei werden zur Modellierung der intermolekularen Wechselwirkungsenergie zwei verschiedene semiempirische Potentiale (OPLS und PHH3 ) verwendet. Das intramolekulare anharmonische Kraftfeld stammt aus einer Publikation mit SCF-Rechnungen, in der auch die wichtigsten kubischen Kraftkonstanten angegeben sind. Die Simulationsergebnisse sind in guter qualitativer Übereinstimmung mit den entsprechenden Photodissoziationsspektren größenselektierter Cluster. Die zwei Absorptionslinien in der 1000 cm-1-Region des Dimerspektrums lassen sich durch die nichtäquivalente Lage der Moleküle in einer Dimerkonfiguration mit einer linearen Achse der Wasserstoffbrückenbindung O-H...O erklären. Die gegenüber der Absorption der Gasphase rotverschobene Linie entspricht der Anregung einer Schwingungsmode, die weitgehend im Akzeptor, die blauverschobene einer Mode, die überwiegend im Wasserstoffdonor lokalisiert ist. Im Fall des Trimers und des Tetramers zeigen einfache gruppentheoretische Erwägungen, daß die Spektren der Infrarotabsorption, die nur eine zweifach entartete Linie aufweisen, mit den berechneten planaren symmetrischen Ringstrukturen der C3h- bzw. C4h-Symmetrie in Einklang stehen. Diese Ringe sind über einen weiten Temperaturbereich stabil. In den Monte-Carlo-Simulationen des Trimers kann nachgewiesen werden, daß bei einer Temperatur von etwa 150 K ein Isomerisierungsübergang auftritt und daß erst ab dieser Temperatur auch kettenförmige Isomere vorliegen können. Ab einer Clustergröße von fünf finden sich keine ebenen Ringstrukturen mehr. Der leicht asymmetrische ringförmige Pentamer weist in der betreffenden Spektralregion drei eng beieinanderliegende Absorptionsfrequenzen auf, die jedoch im Experiment nicht aufgelöst werden können. Das experimentelle Spektrum des Hexamers mit seinen zwei blauverschobenen Linien ist in sehr guter Übereinstimmung mit der Annahme der theoretisch berechneten stabilsten Struktur, einem ringförmigen Isomer mit S6-Symmetrie und einer Temperatur von etwa 4 K. Ein zweites ringförmiges Isomer (C2-Symmetrie), das energetisch nur geringfügig höher liegt, ist, wie durch die Simulationen nachgewiesen werden kann, bei Temperaturen unterhalb 20 K nicht erreichbar. Außerdem zeigt dieses System ähnlich wie der Trimer einen abrupten Strukturübergang bei etwa 200 K. Ab dieser Temperatur können sich die Bindungen umformieren. In Anbetracht gewisser Unsicherheiten sowohl in den Funktionen des intermolekularen Wechselwirkungspotentials als auch im anharmonischen Anteil des intramolekularen Kraftfeldes kann die quantitative Übereinstimmung der theoretischen Modellrechnungen mit den experimentellen Spektren über weite Strecken als relativ gut angesehen werden. Dies ist insbesondere bemerkenswert, weil keiner der vielfältigen Parameter an die experimentellen Ergebnisse angepaßt wurde. Jedoch könnte in Zukunft auf diese Weise ein Potentialmodell konstruiert werden, mit dem sich die experimentellen Spektren genauer reproduzieren lassen. Dieses Modell müßte insbesondere auch den Einfluß der Polarisierbarkeit berücksichtigen. Auf diese Weise könnte die hier vorgestellte Methode der Spektrensimulation zusammen mit den vielen detaillierten Informationen aus der Infrarotspektroskopie dazu dienen, die Potentialfunktionen, die bisher meist nur durch Anpassung an Werte der flüssigen Phase gewonnen wurden, zu verbessern und so einen wesentlichen Beitrag zum Verständnis der intermolekularen Wechselwirkung zu leisten.

Item Type:Thesis (PhD)
Subjects:Physical Sciences > Physics > Mathematical & Theoretical Physics > Computational Physics
Physical Sciences > Chemistry > Physical Chemistry
Physical Sciences > Physics > Chemical Physics
ID Code:883
Deposited By: Burkhard Schmidt
Deposited On:19 Mar 2010 08:04
Last Modified:03 Mar 2017 14:40

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